Melanies Therapie in Ägypten:

Melanie ist wochenlang voller Vorfreude auf die Begegnung mit den Delphinen. Leider laufen ein paar organisatorische Dinge unvorhergesehen schief. Unser Koffer trifft erst eine Woche später in Ägypten ein, so dass Melanie in den ersten Therapietagen im doch recht kalten Wasser schnell friert, weil sie keinen passenden Neopren-Anzug hat.

Der Therapieort und auch die Fahrt dorthin sind zunächst etwas "gewöhnungsbedürftig". Wären nicht die vielen lieben und netten Menschen (Therapeuten, Beduinen und natürlich die anderen Eltern mit ihren Kindern), wäre der Anpassungsprozess für uns alle wohl eher zum Scheitern verurteilt gewesen.

So aber ist es Liebe auf den zweiten Blick. Für Melanie sind die ersten Tage angenehm - sie schläft zwischen den einzelnen Therapieeinheiten tief und fest und ist auch den restlichen Tag ausgesprochen still und entspannt.

Sie "sieht" in der ersten Woche die Delphine 3 x und in den 3 drauffolgenden Woche noch 3 x.
Was für die anderen Kindern überwiegend ein überwältigendes Erlebnis ist, wird für sie eher zur Enttäuschung - sie ist eben autistisch und von sich aus nicht in der Lage die Berührung zu den Tieren zu suchen. Da immer mehrere Kinder im Wasser sind (und auch meistens mehrere Erwachsene) hat sie kaum Kontakt zu den Delphinen - nur 2 x ganz kurz. Trotzdem sind sie natürlich in ihrer Nähe.

Die anderen Therapieeinheiten - vor allem die Cranio-Sacral-Therapie sind hervorragend. Allerdings auch sehr anstrengend für Melanie. Vieles wird in ihrem inneren aufgebrochen, was nicht immer zu "Glücksgefühlen" führt.
Nach zwei Wochen will Melanie am Therapieort nicht mehr aus dem Auto aussteigen - die Unruhe (es sind viele Urlauber dort und sehr viele Kinder) hält sie einfach nicht aus. Trotzdem gelingt es, sie zum Weitermachen zu bewegen und wir versuchen am Nachmittag durch ausgelassenes Spielen im Wasser ihre Anspannung zu lösen, was meistens auch gelingt.
Die Umgebung am Sinaii ist für uns Eltern sehr beruhigend, sehr harmonisch und die absolut netten Beduinen tragen einen großen Teil zur unserer inneren Harmonie bei.
Für Melanie jedoch bieten sich viel zu wenig visuelle und akustische Reize. Nach zwei Wochen gibt es praktisch nichts "Neues" mehr zu entdecken und sie wird zunehmend unruhiger und in sich gekehrter.
Es gelingt uns in der letzten Woche nur noch beim Abschiedsfest, das die Beduinen für uns gestalten, sie zum Lachen und zum "Leben" zu bringen.

Alles in allem kann man sagen, dass der Aufenthalt in Ägypten für uns alle 4 schöne, warme, beruhigende Wochen bereitet hat - aber der Therapieerfolg für Melanie hat nicht stattgefunden.

Nach einigen Wochen zuhause will Melanie oft ein Video mit Delphinen sehen - auf unsere Frage: "was genau möchtest du sehen?" kommt regelmäßig die, fast schon trotzige Antwort: "das von Florida natürlich"........
Und immer ist damit eine Verbesserung ihres oft unruhigen, unglücklichen Verhaltens verbunden.

Wir wissen es alle! Melanie muss noch einmal nach Key Largo zu den Delphinen - allein das Gespräch darüber ruft bei Melanie schon allergrößtes Glück, Lachen und Fröhlichkeit hervor.

Meine Begegnungen mit wildlebenden Delphinen

1. Begegnung:

Ich gehe ins Meer, wo Olin und ihr Baby schon ihre Runden um die Kinder, die zur Therapie dort sind, schwimmen. Es ist unser erster Tag und ich habe keinerlei Erwartungen, will die Delphine nur ansehen.
Nach etwa 3 Minuten stupst eine harte Nase an mein linkes Bein - es ist Olin, die mich als "Neuling" begrüßt. Ich schaue zur rechten Seite, dort ist Olins Baby und beobachtet mit schiefgelegtem Kopf, was ihre Mutter dort treibt. Sofort ahmt es die Mutter nach und stupst ebenfalls. Beide legen sich vor mir ins Wasser und ich darf sie einen kurzen Augenblick berühren.


2. Begegnung:

Olin und ihr Baby sind pünktlich am Morgen zur Therapie gekommen - plötzlich springen viele Leute ins Wasser. , z.T. Dänen, die dort ihren Urlaub verbringen aber auch andere Touristen. Ich sehe, wie Olin ihr Baby säugt und eine besonders aufgeregte Frau wie wild nach ihr "grabscht", sie an der Schwanzflosse zieht, die Finne berührt. Auch die anderen sind alle sehr aufgeregt und fuchteln wild mit den Armen - versuchen unbedingt die Delphine zu berühren.
Mich macht dieser Anblick sehr traurig, ich kann es einfach nicht weiter mitansehen und verlasse das Wasser.
Danach gehen viele Gedanken durch meinen Kopf.
Ich denke, dass ich den Lebensraum dieser Tiere betrete, wenn ich in ihrer Nähe schwimme und ich weiß nicht, ob ich immer willkommen bin. Also verhalte ich mich sehr abwartend und zurückhaltend. Wenn die Delphine mir signalisieren, dass ich nah bei ihnen sein darf, dann bewerte ich das als ein Geschenk, das ich dankbar annehme. Gerade bei einem so intimen Vorgang, wie dem Säugen des Babys, gehe ich aber eher auf Abstand zu den beiden - sonst käme ich mir fast vor, wie ein "Spanner".
Ich weiß nur, wenn Menschen sich in meiner Wohnung so aufführen würden dann wären sie ganz sicher nicht willkommen!


3. Begegnung:

Wieder sind viele Touristen im Wasser, die Hektik hält mich davon ab, ins Meer zu gehen und ich schaue nur zu, wie alle hinter den beiden Delphinen herjagen. Glücklicherweise ist das Wasser ziemlich kalt und die Menschen halten es nicht unendlich darin aus. Als sich alles wieder ein wenig beruhigt hat, und niemand mehr im Wasser ist, gehe ich hinein. Olin schwimmt mit ihrem Baby, das unter ihrem Bauch ist, knapp vor mir her. Ich habe keine Flossen an den Füßen und kann nicht so schnell schwimmen, dass ich neben sie komme - der seitliche Abstand zwischen uns ist auch sehr groß. Plötzlich wartet Olin - sie bleibt auf der Stelle, bis ich direkt neben ihr bin. Wir schwimmen ca. 5 große, weite Runden durchs Meer und Olin passt ihr Tempo ganz offensichtlich dem meinen an. Bei jeder Runde verringert sich der Abstand zwischen uns und dann ist sie plötzlich direkt an meinem Arm - wir schwimmen so, in direktem Kontakt noch eine ruhige, große Runde und ich bin für diesen Augenblick sehr dankbar. Meine Arme halte ich verschränkt unter mir, mache keinen weiteren Versuch sie zu berühren. Es macht mich glücklicher und zufriedener, wenn Olin mich berührt und dieses entspannte Schwimmen gibt mir das Gefühl, dass wir uns gegenseitig verstehen.


4. Begegnung:

Olin war mehrere Tage nicht am Therapieort, wir glauben schon nicht mehr daran, dass wir sie überhaupt noch einmal vor unserer Abreise sehen.
Am Nachmittag bemerken wir, dass plötzlich an unserem Hotelstrand ein großer Tumult entsteht und wir hören die Menschen laut rufen und pfeifen. Sie sind da! Vier Delphine schwimmen in unmittelbarer Nähe des Strandes - es ist Olin und ihr Baby und eine weitere Delphinmutter mit ihrem Baby (vielleicht eine Tochter von Olin). Mindestens 40 Personen stürzen gleichzeitig ins Wasser und jagen den Delphinen hinterher. Ich überlege lange, ob ich mich dazugesellen soll, entscheide mich zunächst, es nicht zu tun. Mein Mann sagt: "geh' doch einfach ein wenig abseits hinein, nicht direkt zu den anderen".
Ich schwimme weit von der Menschenmasse weg - und auch von den Delphinen, weit ins Meer hinaus, wo ich ganz allein im Wasser bin. Dann rufe ich nach Olin - aber es geschieht nichts. Bei dem Rufen bekomme ich Wasser in den Schnorchel, muss heftig husten (wie fast immer, wenn ich einige Zeit schnorchle). Sekunden später sind sie da - alle vier! Hat Olin mich an meinem "Husten" erkannt?
Olin, und zwar nur sie allein (die anderen schwimmen ganz nah um mich herum) nähert sich und schwimmt direkt von vorn auf mich zu. Sie stupst mit ihrer Nase heftig in meinen Bauch, es tut fast ein wenig weh. Dann stellt sie sich aufrecht vor mich hin, ganz ruhig, fast bewegungslos - wenn das keine Aufforderung ist! Ich streichle sanft ihren Hals mit beiden Händen, ihre "Nase" berührt mein Gesicht und sie hält ganz still. Mir laufen die Tränen über das Gesicht. Mehrere Minuten dauert diese "Zweisamkeit", während die anderen drei Delphine, auch Olins Baby langsam und gar nicht mehr aufgeregt (wie vorher am Strand) um uns herumschwimmen. Ich kann die Gefühle während dieser Begegnung nicht beschreiben aber viele Tage später noch, wird mich der Gedanke daran stark und gelassen machen. Ich hätte mir eine ähnliche Begegnung für meine Tochter gewünscht.............
Mein Mann weist mich dann darauf hin, dass dieses Stupsen in den Bauch vielleicht damit zusammenhängt, dass ich seit Tagen große Schmerzen dort hatte. Wir wissen zu wenig, aber vielleicht hat Olin gespürt, dass da etwas nicht in Ordnung ist?

Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die Begegnungen mit wildlebenden Delphinen haben dürfen, diesen mit großem Respekt begegnen. Das Glück liegt nicht darin, einmal mit viel Mühe eine Berührung "erkämpft" zu haben. Wenn aber der Delphin von sich aus, aus eigenem Willen mich berührt und ich mir bewusst bin, dass dies ein Geschenk ist, dann wirkt diese Begegnung noch nach, ich kann mit dieser Erfahrung im Alltag einigen Dingen einen anderen, angemesseneren Stellenwert einräumen.