Alle Texte: Copyright by Hessische / Niedersächsische Allgemeine 2000

Datum: 22.12.1999 Ressort: LOK Seite: 10

Delfine sollen Melanies Mauern einreissen

Melanie Greiser ist Autistin. Nun sollen Delfine neue Fenster in ihrer verschlossenen Welt öffnen. Doch die Therapie ist teuer und die Familie benötigt Spendengelder.

VON THOMAS KOPIETZ

BAD SOODEN-ALLENDORF : Mit ihren lebendigen hellblauen Augen schaut Melanie ihre Gäste freundlich an und doch blicken sie manchmal ins Leere. Es ist, als wolle die junge Frau etwas sagen. Doch sie bleibt stumm. Melanie (21) spricht nur wenn sie kann. Fragen bleiben unbeantwortet, Aufforderungen unbefolgt. Melanie ist Autistin. Sie lebt in einer eigenen Welt, wie in einem Haus mit winzigen Fenstern. Nur wenigen gelingt es, einen Schritt in das Haus zu setzen - ihre Gedanken zu verstehen, ihre Gefühle zu erkennen. Auch den Eltern bleibt die Gedankenwelt der autistischen Tochter nur allzu oft verschlossen, wie hinter meterdicken Mauern. „Wir wollen Melanie da rausholen - das ist alles.” Gisela Greiser (49) sagt das mit Entschlossenheit und das nach fast zwei Jahrzehnten zähem, nervtötendem Ringen mit der rätselhaften Krankheit und den äußeren Widerständen in Kindergarten, Schule und Alltag. Melanie hört ihrer Mutter zu, spielt gedankenverloren mit einem Kugelschreiber. Was denkt sie? Was erwartet und erhofft sie von der Therapie, die im Juni 2000 auf sie wartet? Die Hoffnungen der Familie Greiser ruhen auf dem Rücken der Delfine des Zentrums „Dolphin Human Therapie” in Key Largo, Florida, USA. Vier Wochen lang wird Melanie täglich mit einem menschlichen Therapeuten auf dem Steg sitzen und mit dem tierischen Therapeuten im Wasser arbeiten. Hier sollen die enge Beziehung zum Tier entstehen, deren Wirkungen der jungen Frau langfristig helfen sollen: „Die Therapie kann die Blockaden lösen”, hofft Rolf Greiser (45). Damit das gelingt, muss die ganze Familie, also auch Melanies Bruder Stefan (16), mithelfen - sie alle werden mit nach Florida fliegen und die Therapie beobachten. Der enge Kontakt zu den Delfinen aber wird Melanie vorbehalten bleiben. 42 000 Mark Kosten Das große Problem aber sind die Kosten: 42000 Mark wird die Delfintherapie in Key Largo verschlingen. Zu viel für die Familie Greiser. „Wir sind zwar nicht arm, aber haben auch nicht viel”, beschreibt Gisela Greiser die finanziellen Verhältnisse. Das Leben mit und für Melanie hat bislang viel Geld verschlungen. „Das Haus haben wir gebaut, um ihr ein persönliches Umfeld zu schaffen, das sie benötigt”, sagt Rolf Greiser. Die Folge: Schulden. Diese hatten die Greisers auch schon vorher, denn da waren die vielen teueren Arztbesuche auf dem Weg zu einer Diagnose und noch mehr Therapien. Trotz vieler Fehlschläge gibt es heute Momente, in denen Melanie kurzzeitig die Oberhand über die Krankheit gewinnt. Dann ist sie eine nicht völlig verschlossene Autistin. Ist es eine Reaktion? Melanie lächelt - ist es eine Reaktion auf das Gehörte, das Gespräch? Oder ist es eine dieser vorgefertigten, abgeschauten und abrufbaren Bewegungen, die sie immerhin äußern kann? Melanie lacht, wenn sie lachen kann und weint, wenn ihr nach weinen ist und das andere Ich in ihrem Kopf es zulässt, erzählt Geschichten, wenn sie sich mitteilen kann. Das war lange anders: Sie konnte wie viele Autisten nicht verständlich sprechen. Keiner wusste, woran sie litt, die Mutter - Sozialpädagogin - ahnte es früh, doch die Ärzte stellten keine Diagnose. Bis feststand: Melanie leidet an frühkindlichem Autismus. So arbeitete Gisela Greiser oft stundenlang pro Tag mit ihrer Tochter, brachte ihr neue Bewegungen, verständliche Worte bei und holte das äußerliche Schmerzempfinden zurück. Im Körper freilich spürt Melanie auch heute keinen Schmerz, was ihr vor sechs Jahren fast zum Verhängnis geworden wäre. Der Blinddarm brach und nur durch ein medizinisches Wunder überlebte sie. Melanie reagiert - sie nuschelt ein paar Worte. Das Horrorerlebnis von einst weckt noch heute das Mitteilungsbedürfnis. Unter gesunden Kindern Die 21-Jährige hat für eine Autistin einen außergewöhnlichen Lebensweg hinter sich: Sie besuchte Kindergarten und Grundschule - auch wenn die Eltern oft Widerstände brechen mussten. Doch das Angehen gegen Gesellschaft und Institutionen lohnte sich: Melanie lebte lange unter gesunden Kindern, eignete sich viele Fähigkeiten und Verhaltensweisen an, entwickelte die Liebe zur Popmusik. Und Melanie lernte. Keiner weiß jedoch wie viel und was - noch nicht einmal die Eltern. Denen ist völlig klar, dass Melanie lesen und schreiben kann - unter dem Kopfkissen fanden sie Briefe und Bilder. Die Intelligenz, das Können, aber ist nicht abrufbar. Irgend etwas verhindert das. Allein die Krankheit bestimmt was wann bekannt wird. So wie einst beim Italien-Urlaub, als sie plötzlich in der Landessprache plapperte. Erlebnisse, die Mutter unvergesslich bleiben: „Unglaublich - sie ist ein Sprachtalent”. Das Leben mit der rätselhaften Krankheit ist schwer. Die Eltern wissen fast nie, was ihr Kind fühlt, wünscht. „Autismus ist die schwerste Behinderung für Eltern überhaupt”, sagt Gisela Greiser. „Man kann sich nicht darauf einstellen.” Die Eltern stoßen an ihre Grenzen, sind oft verzweifelt - auch „wenn man zusammen lacht”. Trotz aller Fortschritte im Lern- und Lebensweg von Melanie, weiß niemand, wie es weitergehen wird. Im Moment stagniert die Entwicklung. Melanie arbeitet in der Behindertenwerkstatt in Heiligenstadt. Der Kontakt zu Gesunden ist eingeschränkt. Eine Freundschaft mit einem Mädchen ist nach der Schulzeit eingeschlafen, weil Melanie nur wenig von dem gibt, was Freunde brauchen. „Melanie trägt einen Panzer” beschreibt Gisela Greiser drastisch. „Sie ist wie ein Puzzle - viele Teile passen schon zusammen - einige fehlen noch”, sagt Rolf Greiser und hofft, dass durch die Delfin-Therapie neue Puzzlestücke eingefügt werden können, damit sie in Zukunft öfter zu Gefühlsäußerungen in der Lage ist, wie damals nach ihrer ersten Dauerwelle, als sie ihr Aussehen vor dem Spiegel spontan mit den Worten kommentierte: „Beautiful Girl”. Familie Greiser bittet um Spenden für die Delfintherapie. Info hier


 
 
 

Datum: 22.12.1999 Ressort: LOK Seite: 10


Delfintherapie in Florida

Delfine scheinen bei Menschen Heilungsprozesse zu fördern. Diese Vermutung manifestierte sich in den 70er Jahren durch Berichte, dass Menschen mit schweren Depressionen sich nach dem Schwimmen mit Delfinen viel besser fühlten. Zahllose Menschen haben seitdem ähnliche Erfahrungen gemacht. Wissenschaftlich untermauert sind diese Fähigkeiten der Delfine freilich nur unzureichend. Als heilende Faktoren vermuten Wissenschaftler die Feinfühligkeit und Geselligkeit der Tiere sowie deren Ultraschall-Gehör und Echolot, mit dem sie den Körper der Patienten durchleuchten und sich auf deren Stimmungen einstellen können. Seit Anfang der 90er Jahre nutzen Physio-, Psychotherapeuten und Sozialpädagogen in Zentren die Fähigkeiten dressierter Delfine. Schwerpunktorte sind Key Largo in Florida (USA) und Eilath (Israel). Die Wartelisten sind mittlerweile lang – allein 2000 Bewerber warten pro Jahr auf einen Therapieplatz. In Deutschland vermittelt die Organisation „Dolphin Aid” Plätze und Zuschüsse in den Delfin-Zentren. Kontakt: „Dolphin Aid”, 02 03/74 62 80. (tko)


 
 
 

Datum: 22.12.1999 Ressort: LOK Seite: 10


Im Wasser weit weg vom Hier und Jetzt

Fatima Kutzschbach hat in Florida mit Delfinen und kranken Kindern gearbeitet und erstaunliches erlebt.

GÖTTINGEN : Fatima Kutzschbach hat es 1997 in Florida erwischt: Zu einer Delfindame entwickelte sich eine so innige Beziehung, die der 34-Jährigen noch heute ein verträumtes Lächeln in das Gesicht zaubert. „Es war, als konnte Spunky meine Gedanken lesen”. Der wilde Delfin reagierte auf Fatimas Gedanken. „Als ich sie streicheln wollte, der Abstand aber zu groß war, wiegte sie sich als wenn der Körperkontakt dagewesen wäre.” Sonderbar, unerklärlich - und doch steht dieses Erlebnis für viele Kontakte zwischen Menschen und Delfinen. Irgendwie fühlen sie sich zueinander hingezogen, scheinen auf einer unbekannten Ebene, zu kommunizieren und sich zu verstehen. Nicht zuletzt deshalb werden Delfine auch als Therapeuten eingesetzt. Und Fatima Kutzschbach hat das miterlebt. Die diplomierte Sozialpädagogin arbeitete ein halbes Jahr im Zentrum „Dolphin Island Care” in Key Largo (Florida/USA). In ein benachbartes Delfin-Zentrum, wird auch Melanie Greiser reisen, um sich dort täglich von den trainierten Meeressäugern durchs warme Wasser schieben oder ziehen zu lassen, sie zu füttern oder nur zu berühren. „Es ist wunderschön dort”, beschreibt die Göttingerin. Das Umfeld stimme und auch den Therapeuten bescheinigt sie viel Erfahrung im Umgang mit kranken Kindern. Gleich ob sterbenskrank, kontaktarm, körper-, geistig oder lernbehindert – nach Key Largo kommen Kinder mit vielen Handycaps. Und die Erfahrungen nach der Delfintherapie sind oft erstaunlich. Spastiker verlieren im Umgang mit den Tieren die Scheu und entspannen sich, schwer depressive krebskranke Kinder entwickeln neuen Lebensmut. Fatima Kutzschbach hat auch überraschende Erfolge im Umgang mit autistischen Kindern erlebt: „Ein Junge hat zu Hause Worte gesagt, die die Eltern bis dahin aus seinem Mund nie gehört hatten.” Solche Wunderdinge sollten Eltern, die nach Key Largo reisen, aber keinesfalls erwarten, gibt die 34-Jährige zu bedenken. Alles hänge davon ab, ob sich die Kinder auf die Delfine einlassen könnten und umgekehrt. „Es gibt keine Erfolgsgarantie.” So versprechen auch die Veranstalter in Key Largo in den Vertragsbedingungen nichts. Entspannung Für Fatima Kutzschbach aber besteht der Erfolg der Delfintherapie nicht in spektakulären Wunderheilungen. Es sind vielmehr die kleinen Dinge, die diese Behandlung wertvoll machen können und das für längere Zeit: „Bei den Kindern kann sich Entspannung einstellen, zwanghafte Dinge können unwichtig werden, die Kinder werden gelöst und schöpfen den Mut, Neues auszuprobieren.” Längst „austherapiert” geglaubte Kinder könnten so zu Hause wieder erfolgreich weiterbehandelt werden - und sich fortentwickeln. Erfahrungen, die auch die gesunde Fatima für sich gemacht hat. Der Umgang mit Delfine hat sie verändert. „Du bist im Wasser und vergisst das Hier und Jetzt – es gibt nur noch dich und den Delfin. Du bist einfach zufrieden und glücklich.”. Auf dieses fast schwerelose-, aber völlig zeitlose Gefühl, was sich sonst in einer Schlaf-Aufwachphase bei Menschen einstellt, führen Wissenschaftlern auch für Heilungsprozesse zurück. Neurotransmitter - Botenstoffe im Gehirn - erzeugen jene von Fatima beschriebene wunschlose Zufriedenheit, auch bei kranken Kindern. Hinzu kommt die therapeutische Wirkung des warmen Wassers. Kranke Kinder jedenfalls werden von dressierten Delfinen in Key Largo als etwas Besonderes erkannt und behandelt. Die Tiere sind behutsam und fürsorglich, schließen Freundschaft. Ein Verhaltensphänomen, das aber auch auf wild lebende Delfine zutrifft. Über ihr Echolot können sie - so vermuten Wissenschaftler - in Menschen hineinsehen, erkennen Krankheiten oder Kinder im Mutterleib. Wissenschaftler sind überzeugt, dass von diesem Hineinsehen und den charakteristischen zarten Knackgeräuschen der Delfine ebenfalls positive Einflüsse auf das menschliche Hirn ausgehen. „Delfine und Menschen funken auf der selben Wellenlänge” beschriebt Amanda Cochrane in ihrem Buch „Das Geheimnis der Delfine”. Auf diese sensationellen Beziehungen zwischen Delfin und Mensch sowie die Heilkraft der Tiere bauen auch die Eltern von Melanie Greiser. Die Delfin-Expertin Fatima Kutzschbach jedenfalls sieht für Melanie „gute Chancen”, dass sie nach der vierwöchigen Therapie Fortschritte machen könnte. Wilde Delfine Fatima Kutzschbach jedenfalls möchte unbedingt wieder mit Delfinen arbeiten: „Dann aber mit wilden”, denn wie vielen gefällt auch ihr das Einsperren der Tiere in Zentren oder gar Beton-Aquarien überhaupt nicht. Sie ist zudem überzeugt, dass Therapien auf Grund der außergewöhnlichen Eigenschaften der Meeressäuger auch „in der freien Natur möglich sind”. Was ihr Liebes-Erlebnis mit Delfin „Spunky” ja hinreichend bewiesen hat.(tko)


 
Alle Texte: Copyright by Hessische / Niedersächsische Allgemeine 2000  

Datum: 08.01.2000 Ressort: LOK Seite: 11

Melanie wartet auf weitere Spenden

BAD SOODEN-ALLENDORF : Etwa 1000 Mark haben sich auf dem Spendenkonto für Melanie Greiser nach dem Aufruf Ende Dezember angesammelt. „Es könnte mehr sein”, resümiert Gisela Greiser, die Mutter der unter Autismus leidenden Melanie (21) aus Allendorf. Hintergrund des Spendenaufrufs ist eine Delfin-Therapie in Florida (USA), für die Melanie im Juni diesen Jahres einen Termin bekommen hat. Da allerdings auch die Eltern und der Bruder dabei sein sollen, kosten Therapie und Reise rund 40 000 Mark. Ohne sich zu Verschulden, kann die Familie diesen Betrag nicht aufbringen. Gisela Greiser bittet alle Spender darum, auf dem Überweisungsbeleg unbedingt die Adresse zu vermerken, sonst können keine Spendenquittungen zugestellt werden.(tko) Überweisungen bitte an Info hier